Tradition
Es gibt Leute, die behaupten, ein vergleichbares Angebot an Besen und Bürsten, an Pinseln und Kämmen sei in ganz Deutschland nicht mehr zu finden. Eines jedoch steht unbestritten fest: Das oft lästige Kehren und Fegen, Schrubben und Abstauben wird mit den Bürsten, die in der kleinen Werkstatt direkt hinter dem Geschäftsraum entstehen, fast schon zum Vergnügen.
Keine 20 Quadratmeter misst der gleichzeitig als Warenlager dienende Raum, in dem Waltraud Ernst mit ihrer Tochter jene Handwerkstradition fortführt, die Carolines Urgroßvater Peter Ernst 1894 begründete. Seitdem zogen Manufaktur und Geschäft innerhalb der Stadt mehrfach um; zeitweise gab es sogar zwei Filialen. 1967 schließlich erwarb Johann Ernst jun. – der Enkel von Peter Ernst – das geschichtsträchtige Anwesen in der Glockengasse Nummer 10, dessen Fundamente bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen.
Der Grundriss des 1700 erstmalig genannten Gasthofs „Zur Goldenen Glocke“, dem die schmale Gasse ihren Namen verdankt, lässt sich auch heute noch erahnen: Der langgestreckte Gastraum, in dem der Regensburger Schriftsteller Georg Britting sich so manchen Rausch antrank, ist heute in Laden, Werkstatt und Büro aufgeteilt. Die Holzregale, in denen all die Besen und Bürsten, Pinsel und Polituren Platz finden, hat noch der Großvater von Caroline Jäger angeschafft. Dass die Möbel beim Umzug in die Glockengasse exakt in die neuen Räumlichkeiten passten, ist für die Enkelin ein bemerkenswerter Zufall – und aus ihren Worten klingt Stolz heraus: auf die alte Einrichtung, die sie zusammen mit einem Schreiner wieder auf Hochglanz gebracht hat, vor allem aber auf die Geschichte ihrer Familie als Bürstenbinderdynastie.
„Hier fühle ich mich wohl“, sagt Caroline Jäger, „und hier möchte ich auch bleiben“. Schon als Kind war sie ständig zwischen Werkstatt und Laden unterwegs, schaute sich die Handgriffe von ihrer Mutter ab und ist so Stück für Stück ins Bürstenhandwerk hineingewachsen.
1980 starb der Vater; beinahe wäre damals der Laden geschlossen worden. Doch Waltraud Ernst ließ sich vom frühen Tod ihres Mannes nicht entmutigen und nahm nun buchstäblich alles selbst in die Hand. Auch heute noch sitzt sie so gut wie jeden Tag in der Werkstatt, restauriert in mühevoller Feinarbeit antike Silbergarnituren und bindet Bürsten. Den Holzrohling in der einen, den Kupfer- oder Silberdraht in der anderen Hand, zieht sie die um den Draht gelegten Borstenbüschel nach und nach in die Bohrungen des Grundkörpers ein. Der besteht in der Regel aus heimischem Buchenholz; weiche Hölzer würden durch die im Inneren des Rohlings entstehende Spannung splittern.